Verstehen Sie mich nicht miss!
Es gibt ja so viele Möglichkeiten, wie sich Deutsche und Schweizer missverstehen, weil sie vermeintlich dieselbe Sprache sprechen, aber eben doch nicht:
Dr. Ulf Knorke: “Tach, Herr Nachbar!”
Hanspeter Rüdisühli: “Ja guten Tag, Herr, äh, Kork…, äh, wie gehts? Haben Sie sich gut eingelebt?”
Knorke: “Danke der Nachfrage! Kann nicht klagen, ich bin ja nun doch schon ein Wiilchen in der Schwiiz, höhö. Und die Nachbarschaft ist ja wirklich ganz nett hier.”
Rüdisühli: “Ja Sie, aber die junge Frau von oben links. Wie die hundert Mal pro Tag mit ihren Stöcklischuhen rauf- und runterklappert, Sie, das hält ja kein Mensch aus. Vor allem, wo das Haus so ringhörig ist.”
Knorke:“Ringhörig? Sie meinen, so wie die Typen in ‘Der Herr der Ringe’?”
Rüdisühli: “Äh, also mich macht die einfach verrückt. Ich bin total verrückt auf die.”
Knorke: “Nanana, Herr Nachbar! Ich dachte ja, Sie seien verheiratet. Aber ein Mann ist halt ein Mann, was? Wenn Sie wissen, was ich meine. Na, na? Höhö! So unter uns Männern kann man sich solche Dinge ja auch erzählen, nich?”
Rüdisühli: “Äh, ja, äh. Aber auch dass sie manchmal den ganzen Tag mit dem Trainer unterwegs ist, das geht doch nicht. Ich bin sicher, die geht sogar mit dem Trainer ins Bett.”
Knorke: “Aber das ist doch ein freies Land hier! Die darf doch mit dem Fitnesscoach schlafen. Und die Sexualität… Die jungen Leute heutzutage, die sind da halt ein bisschen offener, ne?”
Rüdisühli: “Was? Äh… Ja, Sie, aber das macht einfach keine Falle, wenn man so mit dem Trainer nach draussen auf die Strasse…”
Knorke: “Was für eine Falle denn?”
Rüdisühli: “Ich meine, das macht keine Gattung. Das schleckt keine Geiss weg.”
Knorke: “Wie bitte? Was für eine Gattung denn? Ziege?”
Rüdisühli: “Ich meine, das geht einfach nicht. Ich gehe ja auch nicht mit den Finken auf die Strasse.”
Knorke: “Oh, Sie halten Finken! Ich hatte mal einen Nachbarn, der hatte Tauben. Ich hab ja vor, mir einen Papageien zuzulegen. Aber zuerst brauch ich einen Vogelbauer — wüssten Sie vielleicht, so ich den herkrieg?
Rüdisühli: “Ja, wollen Sie sich denn den Vogel bauen lassen?”
Knorke: “Ach köstlich, Sie haben ja vielleicht Humor! Nein, ich meine natürlich einen Käfig. Es kann auch ein gebrauchter sein.”
Rüdisühli: “Ich würds mal im Brockenhaus versuchen.”
Knorke: “Brockenhaus? Was denn für Brocken? Ich brauch keine Brocken, ich brauch einen Käfig…”
Rüdisühli: “Ja, eben, im Brockenhaus, da finden Sie vielleicht einen Käfig, einen gebrauchten halt.”
Knorke: “Wie komm ich denn da hin?”
Rüdisühli: “Also da gehen Sie hier erst mal rechts und dann geradeaus, bis Sie zum Rotlicht kommen…”
Knorke: “Rotlicht?”
Rüdisühli: “Ja, die bauen da, die ganze Strasse ist aufgerissen, da ist ein Puff.”
Knorke: “Ein Puff? Und das geben Sie mir zur Orientierung mit auf den Weg? Also bitte! Ich geh doch nicht hier rum und merk mir, wo die Puffs sind!”
Rüdisühli: “Ja wenn Sie den Weg nicht finden, geben Sie mir einfach ein Telefon.”
Knorke: “Warum sollte ich Ihnen denn ein Telefon geben? Sie haben doch bestimmt schon eins.”
Rüdisühli: “Äh… Dann also auf Wiedersehen!”
Knorke: “Na denn tschüss!”
Rüdisühli: “He, seit wann sind wir Duzis?”
Aus dem Beobachter 21|2011, Kolumne “Schlusspunkt”, von Mario Güdel. Mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.