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Zurück vom Spital wegen einer Hirnblutung

Meine lieben Fre­unde und Verwandten

Wer es noch nicht mit­bekom­men hat: Ich bin am Son­ntag, 21. März früh­mor­gens wegen ein­er Hirn­blu­tung ins Uni­ver­sitätsspi­tal Zürich ein­geliefert wor­den und dann eine Woche auf der Inten­sivs­ta­tion gewe­sen. Nach rasch­er Erhol­ung bin ich am Mittwoch, 31. März wieder nach Hause ent­lassen wor­den, bin aber jet­zt einen Monat lang krankgeschrieben und ver­suche ger­ade, mich von dem Stress, den das mit sich gebracht hat, zu erholen, und die Diag­nose “cav­er­nom” zu verdauen.

So, das war die Kurz­fas­sung. Jet­zt etwas ausführlicher: 

Am Sam­stag, 20. März hat­te ich einen PC-Sup­port­fall bei mir Zuhause, an dem ich ein paar Stun­den in Ruhe arbeit­en wollte. Im Laufe des mor­gens wun­derte ich mich sehr über mein Kör­perge­fühl, dass ich näm­lich im linken Arm so ein Kribbeln spürte, als ob mir der Arm eingeschlafen sei, und ausser­dem hat­te ich undefinier­bare Kopf­schmerzen. Wie ich den Tag über­wand, ist mir im Nach­hinein nicht klar, nur dass die Kundin mit ihrem noch nicht fer­tig repari­erten Lap­top irgend­wann von mein­er Frau nach Hause geschickt wurde. Etwa um die Mit­tagszeit set­zt näm­lich meine Erin­nerung aus. Meine Frau erzählte mir später, ich sei immer ver­wirrter gewe­sen und hätte selt­same Antworten gegeben. Etwa auf die Frage, wer uns denn heute besucht habe, sei meine Antwort “Der Früh­ling” gewe­sen. Was natür­lich auch stimmt, das Wet­ter war sehr früh­ling­shaft gewe­sen. Aber die Antwort war doch ziem­lich schräg. Später, so gegen 21 Uhr, hat meine Frau die Ambu­lanz gerufen, und ab da ging es einiger­massen rasch vorwärts.

Die San­itä­terin­nen nah­men mich mit, nach­dem sie erst aus­führlich meine süsse Katze bewun­dert hat­ten, und bracht­en mich in das Spi­tal mein­er Wahl. Da ich schon mal im Stadt­spi­tal Waid gewe­sen war, hätte ich eine dor­tige Ein­liefer­ung erwartet, aber anscheinend sprach ich sel­ber aus­drück­lich vom Triem­li und so brachte man mich dor­thin. Dort angekom­men soll ich gesagt haben, “wie schön, endlich im Waid…” Aber egal, selb­stver­ständlich wurde ich auch im Triem­li ver­sorgt und unter­sucht (MRT des Kopfes) und bald kam man da zur Erken­nt­nis, dass das Uni­ver­sitätsspi­tal bess­er wäre für mich, weil es dort Spezial­is­ten gäbe, ich hätte ein Kav­er­nom, das bluten würde. Also brachte mich dieselbe San­ität­se­quipe hinüber ins Unispi­tal, wo ich Son­ntag mor­gen unge­fähr 4 Uhr ein­traf. Dort wurde ich wiederum aus­giebig unter­sucht. Ich bin anscheinend die ganze Zeit ansprech­bar gewe­sen, soll mich aber gegen Ende immer mehr zurück­ge­zo­gen haben.

Die Sache scheint sich daher etwa so abge­spielt zu haben: Das Kav­er­nom, das ich wahrschein­lich von klein auf habe, aber bish­er noch nichts davon wusste, hat möglicher­weise am Sam­stag mor­gen früh aus unbekan­nten Grün­den etwas geblutet. Da das Kav­er­nom tief im Gehirn drin liegt, hat das geronnene Blut einen Durch­gang für die Gehirn­flüs­sigkeit (den Liquor) ver­stopft. Das wiederum hat dazu geführt, dass der Druck im Gehirn anstieg, weil der dauernd neu pro­duzierte Liquor nicht mehr frei fliessen und somit auch nicht resor­biert wer­den kon­nte. Der erhöhte Hirn­druck wiederum führte zu Aus­fällen des Kurzzeitgedächt­niss­es und später auch des Bewusst­seins. Nach ein paar Tagen wurde das geronnene Blut von selb­st wieder aufgelöst, der Durch­gang wurde somit wieder frei, und mein Kurzzeitgedächt­nis erlangte seine Funk­tions­fähigkeit zurück.

Mit dem let­zten Satz greifen wir den Ereignis­sen aber bere­its etwas vor. Zunächst mal wurde der erhöhte Hirn­druck diag­nos­tiziert und mein­er Frau wurde mit­geteilt, dass man mir voraus­sichtlich Hirn­flüs­sigkeit ablassen müsse und zu diesem Zweck müsse man mir ein Loch in den Schädel bohren. Bis am Son­ntag mor­gen um ca. 10 Uhr war dies dann auch erfol­gt. Ich hat­te somit zu diesem Zeit­punkt einen Schlauch mit Ablassven­til im Schädel, wom­it der nicht resor­bierte Liquor jed­erzeit abge­lassen wer­den kon­nte. Und selb­stver­ständlich lag ich jet­zt auf der Inten­sivs­ta­tion und war unter dauern­der Überwachung. Gemäss Erzäh­lun­gen mein­er Frau wurde mir ins­ge­samt über die näch­sten paar Tage mehr als ein Liter Liquor abge­lassen. Anscheinend hat man auch ins­beson­dere anfangs grosse Angst davor gehabt, ich kön­nte ins Koma fall­en. Man liess mich jeden­falls nicht schlafen son­dern weck­te mich min­destens jede Stunde ein­mal. Ich sei aber die ganze Zeit gut ansprech­bar gewe­sen, man habe sich mit mir unter­hal­ten kön­nen, ich hätte auch Witze gemacht. Allerd­ings habe ich auch immer wieder gefragt, weshalb ich denn da im Spi­tal sei, und habe den Erk­lärun­gen mein­er Frau geduldig zuge­hört. Aber nach ein­er hal­ben Stunde hätte ich das­selbe nochmals gefragt und mich nicht mehr erin­nern kön­nen, dass sie mir alles ger­ade eben erk­lärt habe.

Im Laufe des Mittwochs set­zt mein Erin­nerungsver­mö­gen wieder ein. Ab da musste man mir nicht mehr alles mehrfach erk­lären. Und als ich die ersten Pfleger wieder­erkan­nte (am Don­ner­stag) haben sie sich sehr gefreut über die Besserung meines Zus­tandes. Ab da ging es ras­ant aufwärts mit mir. Am Don­ner­stag hat man keinen Liquor mehr über das Ven­til im Schädel abge­lassen, son­dern nur kon­trol­liert, dass der Hirn­druck nicht über­mäs­sig ansteigt. Als das klappte, wusste man, dass die Liquor-Resorp­tion wieder funk­tion­iert und hat mir am Fre­itag den Ven­til-Schlauch wieder aus dem Schädel ent­fer­nt. Am Sam­stag Vor­mit­tag wurde ich aus der Inten­sivs­ta­tion in eine nor­male Pfleges­ta­tion ent­lassen. Übers Woch­enende passierte nichts weit­er, am Mon­tag lei­der auch nicht, auss­er dass ich mich wieder grossar­tig fühlte und intellek­tuell und kör­per­lich etwa so gut wie zehn Tage zuvor. Am Dien­stag erk­lärte mir aber der Che­farzt aus­führlich, was abge­laufen war, und war angenehm über­rascht über meine Fortschritte. Jet­zt ging es darum, wie es weitergeht.

Prinzip­iell redete er davon, dass ein mehrwöchiger Aufen­thalt in ein­er Reha-Klinik nach einem solchen Ereig­nis üblich sei. Dies deshalb, weil es häu­fig Fälle gebe, wo jemand hin­ter­her ein­seit­ig gelähmt sei oder nicht mehr sprechen könne oder so. In meinem Fall scheine aber glück­licher­weise nichts der­gle­ichen einge­treten zu sein. Er wolle aber erst noch den Bericht der Ergother­a­peutin abwarten. Diese meldete sich kurze Zeit später bei mir und führte im wesentlichen zwei Übun­gen mit mir durch, bei der einen ging es um Merk­fähigkeit (sie las mir etwa 20 Wörter vor wie “Pferd”, “Stuhl” usw. und ich musste ihr dann wiedergeben, was ich mir merken kon­nte. Das machte sie mehrmals mit mir, und jedes­mal kon­nte ich mehr von den Din­gen wiedergeben, und auch irgend­wann bess­er struk­turi­eren durch Grup­pen­bil­dung (“Tiere”, “Möbel”). Sie war sehr zufrieden mit mir. Dann kam eine Logikauf­gabe. Ver­schiede­nen Stricharten waren Zahlen­werte zuge­ord­net (ger­ad­er Strich=2, Winkel=4, schräger Strich=6 Punk­te) und ich musste von eini­gen Strichkon­struk­ten die passende Zahlen­summe aus­rech­nen. Ich habe die Ther­a­peutin angelacht und gesagt, ich sei Infor­matik­er und sowas sei für mich keine ernst zu nehmende Auf­gabe. Ob sie nicht etwas schwierigeres hätte. Dann legte ich los, und sie ver­merk­te anerken­nend, dass ich keinen einzi­gen Fehler machte. Meine Denk­fähigkeit sei auf den ersten Blick wieder­hergestellt und sie würde eine Ent­las­sung empfehlen. Reha scheine nicht ange­sagt zu sein.

Zurück bei Che­farzt meinte dieser eben­falls, ein­er Ent­las­sung ste­he nichts im Wege. Er wolle mich ein­fach in unge­fähr drei Monat­en nochmals sehen, dann müsse man meinen Kopf noch ein­mal genau unter­suchen und so die Zukun­ftsper­spek­tiv­en beurteilen zu kön­nen. Im besten Fall habe sich das Kav­er­nom mit dieser Blu­tung von selb­st aufgelöst. Im schlecht­esten Fall kön­nte es passieren, dass da erneut Blu­tun­gen auftreten wür­den. Dann müsse man über eine Oper­a­tion nach­denken, aber da mein Kav­er­nom ziem­lich tief im Gehirn liege, wäre es bess­er, wenn das ver­mieden wer­den könne.

Ich habe also eine Lücke in meinem Gedächt­nis, die sich von unge­fähr Sam­stag Mit­tag bis Mittwoch erstreckt. Aber ich weiss ganz sich­er, dass ich in dieser Zeit her­vor­ra­gend ver­sorgt wor­den bin, zunächst von mein­er Frau, aber auch und ins­beson­dere von den Ärzten und vom Pflegeper­son­al von Triem­li und Uni­ver­sitätsspi­tal (Neu­rochirur­gis­che Klinik unter Prof. Berta­lanffy). Jet­zt bin ich Zuhause und stelle fest, dass ich sehr müde bin und viel schlafen will. Offen­bar war die Zeit im Spi­tal doch mehr Stress, als ich dachte. Erst langsam wird mir bewusst, wie viel Glück ich in dieser Sache gehabt habe.

Ich bedanke mich auch bei all jenen Ver­wandten und Fre­un­den, die mich im Spi­tal besucht haben. Wenn dieser Besuch vor Mittwoch war, kann ich mich nur lei­der nicht daran erinnern… 🙂


Nach­trag vom 1. April: Nach mein­er gestri­gen Ent­las­sung hat­te ich heute deut­liche Kopf­schmerzen. Ich über­legte, ob diese eine erneute Blu­tung ankündi­gen oder ein­fach “nor­males” Kopfweh seien. Deshalb rief meine Frau im USZ an. Von dort kam der Bescheid, ich müsse “sofort(!)” herkom­men, was ich auch tat. Sobald ich da ankam, machte man ein neues CT und erk­lärte mir kurz darauf, dass es keine Ver­an­las­sung für irgendwelche Not­fall­mass­nah­men gäbe. Das CT sähe gut aus, die Ven­trikel in meinem Kopf seien wieder abgeschwollen, ich brauche mir keine Sor­gen wegen ein­er erneuten Blu­tung zu machen. Gegen die Kopf­schmerzen könne ich die üblichen Mit­tel ein­nehmen, etwa Dafal­gan. Das hörte sich äusserst beruhi­gend an, ich ging wieder nach Hause, nahm zwei Dafal­gan, und hat­te for­t­an Ruhe.


Nach­trag vom 16. April: Heute war ein Kon­trollbe­such beim behan­del­nden Arzt, bei Che­farzt Dr. Krayen­bühl. Let­zten Fre­itag war ich zu einem MRI aufge­boten wor­den, heute wollte mir Herr Krayen­bühl erk­lären, wie es mit meinem Kopf ste­ht. Der Bescheid ist sehr gut. Am Ort der Blu­tung ist nur noch ein klein­er, küm­mer­lich­er (vielle­icht steck­nadelkopf­gross­er) Rest Blut zu erken­nen. Alles heilt gut ab, ein Kav­er­nom sei über­haupt nicht zu erken­nen. Sein­er Mei­n­ung sei da über­haupt nie eines gewe­sen, oder aber es hätte sich durch die eine Blu­tung aufgelöst. In ca. 3 Monat­en wolle er aber nochmals ein MRI machen lassen für eine defin­i­tive Beurteilung.

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