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giftstachel

Savch hat am 20/1/2003 gefragt:
wenn ich mich von meinem part­ner über län­gere zeit ver­let­zt oder unver­standen füh­le, set­ze ich (weib­lich, sko­r­pi­on) aus hil­flosigkeit oft meinen gift­stachel ein, indem ich mehr oder weniger bewusst äusserun­gen mache, wo ich weiss, dass sie meinen part­ner ver­let­zen kön­nten. meine bish­eri­gen part­ner kon­nten damit umge­hen. mein let­zter part­ner (waage) hat aus eben diesem grunde die pat­ner­schaft vor kurzem been­det, da er damit nicht klar kam. ich ver­suche seine entschei­dung zu akzep­tieren und doch möchte ich dieses prob­lem in den griff bekom­men. ich weiss, dass es am ein­fach­sten wäre, es gar nicht soweit kom­men zu lassen und über die gründe sofort zu sprechen. doch unab­hängig davon, wie kann ich ver­suchen solche äusserun­gen im entschei­den­den moment zu unterdrücken?
kön­nen sie mir einen tipp geben?

Daniel_heiniger hat am 20/1/2003 geantwortet
So ein Zufall — ich bin selb­st Waage…

Ich kenne das gut, ich hat­te selb­st mal eine Fre­undin, die gut und gerne den “Gift­stachel aus­ge­fahren” hat, wie Du Dich aus­drückst. Ich kon­nte auch lange nicht damit umge­hen, bis ich irgend­wann anf­ing, mich hin­ter­her, in ein­er ruhi­gen Minute, sie darauf hinzuweisen, dass mich diese oder jene Äusserung sehr ver­let­zt hat. Was ich denn auch Deinem Fre­und empfehlen würde, so er sich noch dafür interessierte.


Dir möchte ich kurz ein Vorge­hen schildern, das ich bei mir selb­st schon mehrmals mit Erfolg angewen­det habe, wenn es darum ging, dass ich ein mich oder andere stören­des Ver­hal­ten ändern wollte. Und zwar habe ich dazu ein drei-Schritte Pro­gramm entwickelt.


Grund­satz: Du bist nicht Deine Reak­tion. Wenn Du ver­let­zend wirst, ist es, nehme ich an, nicht in dem Sinne gemeint, dass Du die Belei­di­gung wörtlich meinst oder den Part­ner echt belei­di­gen willst. Son­dern es ist vielmehr eine Reak­tion auf eine eigene Ver­let­zung, oder dass Du Dich selb­st unver­standen fühlst (wie Du ja selb­st schreib­st). Daher: Du bist nicht Deine Reak­tion. Deine Reak­tion ist angel­erntes Ver­hal­ten. Es gibt auch andere Möglichkeit­en, als auf diese Weise zu kom­pen­sieren. Diese müssen nur erlernt werden.


Erster Schritt: Beobachte Dein eigenes Ver­hal­ten. In dieser Phase wird es noch nicht möglich sein, Dein Ver­hal­ten zu ändern. Vielmehr bemerkst Du erst hin­ter­her, dass Du jet­zt wieder ein­mal unnötig zu weit gegan­gen bist. Wenn Du dieses real­isierst, sage zu Dir selb­st: “Aha! Jet­zt bist Du wieder ein­mal in die Falle getappt!” Wenn Du magst, sage dies auch Deinem Part­ner. Und entschuldige Dich sog­ar dafür. Ver­sprich aber nicht, dass es nicht mehr vorkommt, denn es wird wieder vorkom­men. Entschuldige Dich ein­fach dafür. Das wird ihm gut­tun. Gle­ichzeit­ig kannst Du ihn darauf hin­weisen, was Dein Ver­hal­ten her­vorgerufen hat. Inwiefern Du Dich selb­st ver­let­zt oder unver­standen fühlst. Das wird schon mal zu sehr guten Gesprächen führen.


Zweit­er Schritt: Beobachte Dein eigenes Ver­hal­ten. Aber mit der Zeit wird Dein inner­er Alarm schon zu schrillen begin­nen, ger­ade während Du Deinen Part­ner ver­let­zt. Wenn Du es eim­mal nicht erst hin­ter­her, son­dern bere­its während­dessen merkst, weisst Du, dass Du in die zweite Phase einge­treten bist. Jet­zt hast Du die Möglichkeit, Dich sofort zu entschuldigen, oder sofort die Spitzen zu brechen. Auch diese Phase wird län­gere Zeit dauern, Wochen bis Jahre.


Drit­ter Schritt: Beobachte Dein eigenes Ver­hal­ten. Da Du Dir selb­st gegenüber immer sen­si­bler gewor­den bist, merkst Du jet­zt bere­its vorher, wenn Du in “Stichel­laune” kommst und kannst Dich bewusst dafür entschei­den, sie auszuleben, oder stattdessen die wahren Motive aufs Tapet zu brin­gen. In dieser Phase bist Du soweit, dass Du die eige­nen Ver­let­zun­gen und das Dir ent­ge­genge­brachte Unver­ständ­nis auf den Tisch leg­en kannst, bevor es Schaden anrichtet. Das empfehlenswerte Vorge­hen ist näm­lich, solche Dinge sofort auszus­prechen. “Mein Lieber, ich füh­le mich in der Sache xxx von Dir nicht ver­standen. Es ist mir aber wichtig. Darf ich mit Dir bitte nochmals darüber reden und Dir genau erk­lären, was ich meine?” Oder “Ich füh­le mich ver­let­zt durch xxx. Warum hast Du das getan/gesagt? Gibt es einen beson­deren Grund dazu?” Und schon führt ihr frucht­bare Gespräche, die Euch entwed­er einan­der näher brin­gen, oder klar machen, dass ihr eventuell nicht zusam­men gehört. Dies wäre wohl dann der Fall, wenn er über­haupt nicht auf Deine Gespräch­sange­bote eingeht.


Allfäl­lig musst Du ihm die Zeit geben, die Du selb­st gebraucht hast (oder noch mehr), sodass er selb­st auf diese Stufe wach­sen kann. Falls er sich über­haupt nicht für eine verbesserte Gespräch­skul­tur inter­essiert, ist es wohl Zeit, einen anderen Mann zu suchen.


Liebe Grüsse

— Daniel

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