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verbotene liebe

  Yolanda4 hat am 7/10/2003 gefragt:
  hal­lo daniel
  ich weiss nicht ob ich die vie­len gefühlswirren und gedankengänge die in meinem kopf umher­schwirren in ein paar sätzen nieder­schreiben kann. ich (37), seit 13 jahren mit einem aufmerk­samen, gefüh­lvollen, boden­ständi­gen mann ver­heiratet, sollte eigentlich glück­lich sein, da es mir an nichts man­gelt. trotz alle­dem habe ich mich vor einiger zeit in meinen besten fre­und (den ich auch seit 10 jahren kenne) ver­liebt. es ist als ob unsere fre­und­schaft über die jahre ein­fach feuer gefan­gen hat. zu spät habe ich bemerkt, wie tief die spur durch mein herz bere­its ist. habe ver­sucht mich zurück­zuziehen und zu vergessen wie ansteck­end sein lachen ist und wie wohltuend seine nähe. er hält jede zelle in mir beset­zt. was soll ich bloss tun?
  yolan­da

 

  Daniel_heiniger hat am 8/10/2003 geantwortet
  Liebe Yolan­da

Diese Frage beschäftigt die Philosophen und vor allem die Schrift­steller seit Jahrhun­derten. Und ich kann sie eigentlich auch nur philosophisch beant­worten. Wer bin ich denn, als dass ich Dir auf­grund der paar Zeilen einen konkreten Ratschlag erteilen könnte…?

Es ist so die Frage nach dem alten Sprich­wort: Was will ich lieber? Den Spatz in der Hand oder die Taube auf dem Dach?

Du kön­ntest zum Beispiel abwä­gen, die bei­den Män­ner und ihre Qual­itäten gegeneinan­der aufrech­nen. Und dabei auch die Fak­toren Sicher­heit, emo­tionale Für­sorge und Sta­bil­ität mit ein­beziehen. Oder aber Du fol­gst Deinem Herzen, oder Dein­er Seele, was dur­chaus nicht das­selbe ist. Oder aber Du stellst Dir die Frage, mit welchem von den bei­den Män­nern Du gerne alt wer­den möchtest.

Let­z­tendlich ist es egal, welche Entschei­dung Du triff­st. Es führt allerd­ings kein Weg daran vor­bei, dazu zu ste­hen, die Ver­ant­wor­tung dafür zu übernehmen und den Kon­se­quen­zen nicht aus dem Weg zu gehen. Alles andere wäre ver­logen und Dein­er Selb­stach­tung abträglich.

Wenn Du Dich allerd­ings für den einen oder anderen entsch­ieden hast, dann wün­sche ich Dir, dass Du Dich in Zukun­ft auf diesen beson­deren Mann ein­lassen kannst. Voll und ganz. Dass Du die emo­tionale Nähe zu ihm und die seel­is­che Ver­bun­den­heit mit ihm suchst und pflegst. Das bedeutet dann allerd­ings auch wiederum, dass Du Dir keine neuen “Neben­beziehun­gen” auf­baust, auch wenn es “nur” Fre­und­schaften sind, weil, wie Du siehst, kann aus so etwas unver­hofft mehr wer­den. Das kannst Du bee­in­flussen. Indem Du bewusst immer wieder die Entschei­dung für den gewählten Part­ner wählst. Und allzu­grosse emo­tionale Nähe zu anderen Män­nern gar nicht zulässt. Alles andere wäre real­itäts­fremd und bringt Dich nur immer wieder in die Bre­doul­lie. Wenn Du emo­tionale Nähe zu anderen Men­schen brauchst ausser­halb der Ehe (was natür­lich nichts als nor­mal ist) dann (so meine Empfehlung) halte Dich ans eigene Geschlecht. Baue Dir einen Kreis von Fre­undin­nen auf, mit denen Du Dich gerne triff­st, mit denen Du über alles reden kannst.

Eigentlich möchte ich Dir aber noch sagen, dass ich es bedauern würde, wenn Du die beste­hende langjährige Beziehung mit dem “aufmerk­samen, gefüh­lvollen, boden­ständi­gen Mann”, bei der es Dir “an nichts man­gelt” ein­fach so been­den würdest. Der Hin­weis, dass Du Dich “eigentlich glück­lich” fühlen soll­test, macht mich darauf aufmerk­sam, dass dort etwas fehlt. Hast Du Dich schon gefragt, was das ist? Mir fällt spon­tan das Wort “Lei­den­schaft” ein. Kön­nte dieser Man­gel nicht behoben wer­den? Die Lei­den­schaft wieder­belebt wer­den? Auf­grund mein­er eige­nen Erfahrung (ich bin eben­falls seit 13 Jahren ver­heiratet) kann ich Dir bestäti­gen, dass die Lei­den­schaft nach ein paar Jahren abflaut. Dass es beson­dere Hingabe und Aufmerk­samkeit braucht, sie wieder aufleben zu lassen. Lei­der ist das genau das, worüber man in keinem Rat­ge­ber etwas nach­le­sen kann. Was in allen roman­tis­chen Fil­men und Büch­ern immer aus­geklam­mert wird. Hier sind wir alle echt auf uns allein gestellt. Wir müssen uns selb­st auf unbekan­ntes Ter­ri­to­ri­um vor­wa­gen. Neue Dinge aus­pro­bieren. Mut fassen. Mit dem Part­ner darüber reden, was wir wollen, was wir wün­schen, was unsere Sehn­süchte sind. Das ist nicht ein­fach, und die Lösung fällt uns nicht in den Schoss. Aber ich kann Dir sagen, und Du weisst das eigentlich auch selb­st: Es lohnt sich. Am Ende des Tun­nels, oder auch schon unter­wegs, wartet eine innigere und tief­ere Beziehung auf uns, die noch erfül­len­der ist, als alles, was wir uns vorstellen kön­nen. Offen­heit, Ehrlichkeit, Behar­rlichkeit sind der Schlüs­sel zum Erfolg. Und Aussen­beziehun­gen sind dabei nur störend, lenken uns ab vom Wesentlichen, auch wenn die Ver­suchung gross ist und es dort viel leichter zu fall­en scheint.

Her­zliche Grüsse
— Daniel

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