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Velotour an den Neuenburgersee und nach Fribourg

Let­zte Woche habe ich mir mal wieder eine Extrav­a­ganz erlaubt: Eine spon­tane Velo­tour ohne klares Ziel, nur west­wärts. Am Mittwoch, dem 15. August bin ich los­ge­fahren, mor­gens um ca. 8:30 Uhr. Mein Ziel war in erster Lin­ie, meine Kraft zu testen. Her­aus­gekom­men ist eine Fahrt via Lim­mat zur Aare und der Aare ent­lang ins See­land. Dort habe ich den Biel­er- und den Neuen­burg­ersee genossen und habe die Fahrt am Fre­itag mit einem Abstech­er nach Fri­bourg abgeschlossen.

Ich bin ja eigentlich völ­lig unsportlich. Trotz­dem habe ich aus aktuellem Anlass, dass näm­lich mehrere Ereignisse in meinem Leben an meinem Selb­st­wert­ge­fühl gerüt­telt haben, beschlossen, etwas zu unternehmen, um mich wieder bess­er zu fühlen. Deshalb habe ich am let­zten Mittwoch mein Velo aufge­sat­telt und bin mit leichtem Gepäck in Rich­tung West­en aufge­brochen. Ich nahm mir vor, so lange zu fahren, bis ich nicht mehr kann, und dann spon­tan irgend einen Schlaf­platz zu suchen. Und dies ein paar Tage lang. Ich gab mir Zeit bis Ende Woche, aber anson­sten sollte alles spon­tan entste­hen. Auch etwa ob die Rück­reise wieder mit dem Velo erfol­gt, oder eventuell mit dem Zug, spielte zum Startzeit­punkt keine Rolle.

1. Tag: Am Mittwoch mor­gen um ca. 8:30 fuhr ich also in Zürich los, in Oberengstrin­gen hin­unter an die Lim­mat und dann der Lim­mat ent­lang bis Wet­tin­gen. Der Lim­mat ent­lang ist immer schön angenehm frisch und nicht zuviele Leute. Von Wet­tin­gen bis Brugg musste ich allerd­ings Haupt­strasse nehmen. In Baden machte ich kurz Rast auf ein­er Bank, wo ich ange­sprochen wurde von zwei net­ten Her­ren, die mich fragten, ob ich Lek­türe möchte für jet­zt oder die näch­ste Rast. Ich antwortete aber, dass ich auf den Wacht­turm gerne verzicht­en würde und stattdessen lieber meinen mit­ge­bracht­en Tage­sanzeiger lesen möchte. Dann gings weit­er, jet­zt der Aare ent­lang an Schinz­nach, Veltheim, Auen­stein, Biber­stein, Rom­bach vor­bei nach Aarau. Heutzu­tage sind ja schon viele Velowege gebaut und aus­geschildert, sodass das Fortkom­men nur noch sel­ten ein Prob­lem ist. Hin­ter Aarau geht es weit­er über wun­der­bar ruhige Wege der Aare ent­lang. Auf Höhe Schö­nen­werd hat­te ich Hunger und kehrte ein in ein Restau­rant am Weges­rand. Der Wurst­salat und die zwei Flaschen “Suure Moscht” schmeck­ten grossar­tig und erfrischt­en, wenn ich auch die Wirkung des sauren Mostes unter­schätzt hat­te, wie ich beim anschliessenden Toi­let­tenbe­such fest­stellte. Weit­er via Niedergös­gen, Obergös­gen, Winz­nau, Trim­bach nach Olten. Meine fehlende Fit­ness wurde mir anfangs Trim­bach bewusst, als ein kurzes Stück des Weges steil aufwärts, vom Flus­sufer weg zur etwas höhergele­ge­nen Land­strasse führte. Selb­st im niedrig­sten Gang war kaum ein weit­erkom­men, und oben angekom­men musste ich mich erst mal 10 Minuten aufs Trot­toir set­zen und ver­schnaufen, bevor ich weit­er­fahren kon­nte. Weit­er der Velor­oute 50 (Jurasüd­fuss) ent­lang via Rick­en­bach Kap­pel, Gun­z­gen, Nieder­buch­siten. Ab Olten wurde die Weit­er­fahrt recht beschw­er­lich. Meine Kräfte ver­liessen mich allmäh­lich, und das Fortkom­men war deut­lich langsamer.  Als mir bewusst wurde, dass ich es nicht mehr bis Solothurn schaf­fen würde, fragte ich Leute, die in ihrem Garten offen­bar einen Kinderge­burt­stag feierten, ob es in der Nähe eine Her­berge gäbe. Lei­der wussten sie nichts im sel­ben Ort, aber in Kesten­holz habe es sowas. Das sei aber ver­mut­lich heute geschlossen. Also fragte ich sie, ob ich wenig­stens in der Nähe etwas trinken könne, wo denn der näch­ste Spun­ten sei. Das sei ein­fach, nur ein paar hun­dert Meter weit­er auf der recht­en Seite sei die Sonne. Diese fand ich auch tat­säch­lich, trank dort 5dl Wass­er und fragte die Bedi­enung nach ein­er Her­berge. Diese erwäh­nte wieder die Her­berge in Kesten­holz, die sich­er geöffnet sei. Und tat­säch­lich fand ich dort den Gasthof Ein­tra­cht als sehr angenehme Her­berge. Sauber, schön, gute Küche (die Spare Ribs zum Aben­dessen waren toll), gün­stiges Zim­mer (80.- die Nacht im Einzelz­im­mer ohne Früh­stück). Ins­ge­samt legte ich an diesem Tag 84km zurück.

2. Tag: Beim Aufwachen stelle ich erst mal fest, dass es draussen reg­net. Gegen 8:30 klart es auf, um 9 fahre ich weit­er durch Nieder­bipp nach Olten. Dort besuche ich meinen alten Kumpel Wal­ter im Ober­steg, der das Hotel Ambas­sador führt (wo ich eigentlich über­nacht­en wollte, es aber nicht mehr dahin geschafft hat­te). Um 11 Uhr war ich bei ihm und er lud mich gle­ich zum Mit­tagessen mit sein­er Frau und ihm ein. Bis dahin besichtigte ich die Olt­ner Alt­stadt, ein sehr hüb­sches, mit­te­lal­ter­lich­es Städtchen. Gegen 13:30 fuhr ich weit­er dem Veloveg 5 ent­lang, über Altreu (wo die grösste Storchen­sied­lung der Schweiz zu sehen ist mit vie­len Storchennestern auf den Haus­däch­ern), Büren an der Aare (eben­falls ein hüb­sches altes Städtchen), Biel, der Süd­seite des Biel­ersees ent­lang ans andere Ende, nach Erlach. Dort rastete ich kurz und über­legte, ob und wie es jet­zt weit­erge­hen sollte. Dieses mal wollte ich nicht unbe­d­ingt eine Her­berge bemühen, obwohl, bei angemesse­nen Preisen käme das schon in Frage. Stattdessen entsch­ied ich mich dann aber, erst mal die St. Petersin­sel zu besichti­gen. Auf dieser langge­zo­ge­nen und etwa 10 Kilo­me­ter lan­gen Hal­binsel ist Autoverkehr ver­boten, aber Fuss­gänger und Velo­fahrer willkom­men. Ich radelte also los und fand, fast am Ende der Insel, ein Restau­rant vor. Wun­der­bar, dort kehrte ich ein und ver­speiste “Hack­brat­en mit Fleisch vom Bauern nebe­nan, mit Spiegelei und Spät­zli”, was grossar­tig schmeck­te. Während dem Essen fragte ich die Bedi­enung, ob es hier auch Gästez­im­mer habe und was die kosten täten. Ich erhielt eine Broschüre mit Preis­liste, die mir die Haare zu Berge ste­hen liessen: 240.- pro Nacht. Mit bestem Dank bezahlte ich die Rech­nung fürs Essen und zog mich zurück. Mit dem Velo fuhr ich noch ein kleines Stück weit­er, bis die Insel zuende war, ent­deck­te einen kleinen Fuss­weg neben dem Kiesweg, der in den Wald führte. Nach knapp 20 Metern hörte der Wald direkt am Seeufer auf. Hier legte ich meine Yoga­mat­te und meinen Schlaf­sack aus und ruhte, völ­lig ungestört von irgendwelch­er Zivilisation.

3. Tag: Mit den ersten Son­nen­strahlen erwachte ich, um 6:15 nahm ich man­gels son­stiger Waschgele­gen­heit ein erfrischen­des Bad im Biel­ersee und pack­te dann meine Ware wieder zusam­men. Gegen 7 Uhr machte ich mich wieder aufs Velo und auf den Weg runter von der St. Petersin­sel. Von da aus ver­brachte ich eine eher unan­genehme Stunde auf Haupt­strassen bis an die Süd­seite des Neuen­burg­ersees in Cud­refin. Weit­er auf der Velor­oute 5 west­wärts. Lei­der führt diese hier nicht dem See ent­lang, son­dern ein Stück weit davon weg. Grund ist offen­bar, dass der grösste Teil des Südufers des Neuen­burg­ersees Natur­reser­vat ist. Kon­se­quenz: Der Weg führte über viele Hügel immer wieder hoch und runter. Und weil mir die Kon­di­tion dazu fehlte, wurde ich bei Stei­gun­gen immer sehr langsam und musste in den kle­in­sten Gang zurückschal­ten. Unge­fähr auf Höhe St. Aubin über­holte mich eine Frau, wenn es abwärts ging holte ich wieder auf, und dann kamen wir ins Gespräch über Gott und die Welt. Sie erzählte mir, dass sie ursprünglich Wal­lis­erin sei, einen Bern­er geheiratet hat­te und mit ihm 10 Jahre lang in Bern wohnte. Dann habe er sich aber in ein Arschloch ver­wan­delt und deshalb sei sie wieder geschieden und aus beru­flichen Grün­den nach Estavay­er-le-Lac gezo­gen. Dor­thin sei sie jet­zt auch unter­wegs. Die Stadt Estavay­er-le-Lac liege aber nicht direkt am See, son­dern da müsse ich dann noch ein Stück hin­un­ter­fahren. Es gäbe einen Hafen und ein Strand­bad, an bei­den Orten Restau­rants, in denen ich einkehren könne. Dies erk­lärte sie mir, weil ich gesagt hat­te, ich hätte grade keine drin­gen­deren Bedürfnisse als am See unten in ein­er gemütlichen Beiz ein Bier trinken zu wollen. Und in der Tat, so war es. Im Städtchen angekom­men zeigte sie mir noch, welche Abzwei­gung ich zum Seeufer hin nehmen müsse, und ver­ab­schiedete sich dann. Ich fuhr zum Strand­bad, das eine wun­der­bar grosszügige und kosten­lose Anlage ist. Im Badi-Restau­rant ass ich das dort übliche Mit­tagessen (Ham­burg­er mit Pommes), beobachtete die Leute, und ging auch mal schwimmen.

Beson­ders beacht­enswert fand ich dort die Wasser­s­ki- und Wake­board­ing-Anlage. Da ste­hen vier Mas­ten im See draussen, ein­er davon in der Nähe des Ufers, die anderen weit draussen, und bilden ein Viereck mit bes­timmt total 1.5 Kilo­me­tern Kan­ten­länge. Auf den Mas­ten hat es Umlenkrollen, über die ein Seil rund­herum läuft. Am Seil hat es, gle­ich­mäs­sig verteilt, etwa ein dutzend mit­laufende Zuganker. Beim Mast am Ufer ist eine Vor­rich­tung, an der man sich bere­it macht und ein Zug­seil auf den Zuganker aufk­linkt. Der zieht einen dann mit ca. 3 meter pro Sekunde rund um den Par­cours, und wenn man nicht mehr kann, lässt man ein­fach das Seil los. Dann wird es bei näch­ster Gele­gen­heit beim Ein­stiegs­mast wieder ausgeklinkt.

So weit so gut. Jet­zt erin­nerte ich mich daran, dass ich ja ganz in der Nähe noch Ver­wandtschaft habe. Meine Schwest­er wohnt näm­lich mit ihrem Mann und ihren Kindern in Fri­bourg. Ich rief sie an und kündigte meinen Besuch für den näch­sten Tag an. Sie war nicht schlecht erstaunt, freute sich aber sehr und meinte, das sei toll, am näch­sten Tag, einem Sam­stag, habe ihre jüng­ste Tochter Geburt­stag, und da könne ich gle­ich mit­feiern. Gegen 15 Uhr über­legte ich, wie ich den Rest des Nach­mit­tags und den Abend ver­brin­gen möchte. Und merk­te, dass ich mich doch etwas ein­sam fühlte — und die Aus­sicht, noch ein paar Stun­den eher gelang­weilt der Dor­fju­gend beim flirten zuzuschauen und danach eine ein­same Nacht im Wald zu ver­brin­gen nicht so prick­el­nd fand. So entsch­ied ich mich, den Weg nach Fri­bourg unter die Räder zu nehmen. Falls ich müde würde, kön­nte ich ja jed­erzeit anhal­ten und mein irgend­wo mein Nacht­lager auf­schla­gen. Der Weg nach Pay­erne und Cor­celles nach Mon­tag­ny war einiger­massen leicht und rasch hin­ter mich gebracht. Etwas weit­er hin­ten, in Moulin des Arbognes, kehrte ich nochmals ein für ein erfrischen­des Glas Wass­er und ein Glacé. Auf meine Frage, ob er wisse, wie weit es noch bis Fri­bourg sei, antwortete ein ander­er Gast: “Noch knapp 20 Kilo­me­ter. Aber mit dem Velo sind es sehr harte Kilo­me­ter!” Diese Aus­sage erwies sich als äusserst real. Kurz hin­ter dem Restau­rant begann eine Stei­gung von gefühlten 50% über mehrere Kilo­me­ter. Mehrmals musste ich absteigen und 10 Minuten ver­schnaufen. Teil­weise musste ich sog­ar mein Fahrrad schieben. Und als die schlimm­ste Stei­gung vor­bei war, ging es nicht etwa eben weit­er, son­dern ein­fach weniger steil. Immer­hin senk­te sich dann der Weg kurze Zeit, als es auf den Lac de See­dorf hin­un­terg­ing, aber dahin­ter ging es wieder aufwärts bis Mon­cor, von wo aus es nur noch 10 Minuten dauerte bis zu meinem Ziel. Meine Schwest­er liess mich zuerst duschen, und erst dann begrüsste ich sie und ihre Familie… 🙂

Am näch­sten Tag zeigte sie mir noch mit ihrer jüng­sten Tochter, die an diesem Tag 23 Jahre alt wurde, die Stadt Fri­bourg. Dabei sind wir ins­beson­dere im wild-roman­tis­chen Val­lée du Got­téron spazieren gegan­gen. Jet­zt ver­ste­he ich endlich, was hin­ter der Freiburg­er Eishock­ey­mannschaft steckt.

Hier sind meine gesam­melten Fotos der Reise.

Den Rück­weg machte ich dann am Son­ntag Nach­mit­tag mit dem Zug. Mein Hin­tern war genü­gend beansprucht, dass ich für eine Weile genug vom Rad­fahren hatte.

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