Ich bin ja eigentlich völlig unsportlich. Trotzdem habe ich aus aktuellem Anlass, dass nämlich mehrere Ereignisse in meinem Leben an meinem Selbstwertgefühl gerüttelt haben, beschlossen, etwas zu unternehmen, um mich wieder besser zu fühlen. Deshalb habe ich am letzten Mittwoch mein Velo aufgesattelt und bin mit leichtem Gepäck in Richtung Westen aufgebrochen. Ich nahm mir vor, so lange zu fahren, bis ich nicht mehr kann, und dann spontan irgend einen Schlafplatz zu suchen. Und dies ein paar Tage lang. Ich gab mir Zeit bis Ende Woche, aber ansonsten sollte alles spontan entstehen. Auch etwa ob die Rückreise wieder mit dem Velo erfolgt, oder eventuell mit dem Zug, spielte zum Startzeitpunkt keine Rolle.
1. Tag: Am Mittwoch morgen um ca. 8:30 fuhr ich also in Zürich los, in Oberengstringen hinunter an die Limmat und dann der Limmat entlang bis Wettingen. Der Limmat entlang ist immer schön angenehm frisch und nicht zuviele Leute. Von Wettingen bis Brugg musste ich allerdings Hauptstrasse nehmen. In Baden machte ich kurz Rast auf einer Bank, wo ich angesprochen wurde von zwei netten Herren, die mich fragten, ob ich Lektüre möchte für jetzt oder die nächste Rast. Ich antwortete aber, dass ich auf den Wachtturm gerne verzichten würde und stattdessen lieber meinen mitgebrachten Tagesanzeiger lesen möchte. Dann gings weiter, jetzt der Aare entlang an Schinznach, Veltheim, Auenstein, Biberstein, Rombach vorbei nach Aarau. Heutzutage sind ja schon viele Velowege gebaut und ausgeschildert, sodass das Fortkommen nur noch selten ein Problem ist. Hinter Aarau geht es weiter über wunderbar ruhige Wege der Aare entlang. Auf Höhe Schönenwerd hatte ich Hunger und kehrte ein in ein Restaurant am Wegesrand. Der Wurstsalat und die zwei Flaschen “Suure Moscht” schmeckten grossartig und erfrischten, wenn ich auch die Wirkung des sauren Mostes unterschätzt hatte, wie ich beim anschliessenden Toilettenbesuch feststellte. Weiter via Niedergösgen, Obergösgen, Winznau, Trimbach nach Olten. Meine fehlende Fitness wurde mir anfangs Trimbach bewusst, als ein kurzes Stück des Weges steil aufwärts, vom Flussufer weg zur etwas höhergelegenen Landstrasse führte. Selbst im niedrigsten Gang war kaum ein weiterkommen, und oben angekommen musste ich mich erst mal 10 Minuten aufs Trottoir setzen und verschnaufen, bevor ich weiterfahren konnte. Weiter der Veloroute 50 (Jurasüdfuss) entlang via Rickenbach Kappel, Gunzgen, Niederbuchsiten. Ab Olten wurde die Weiterfahrt recht beschwerlich. Meine Kräfte verliessen mich allmählich, und das Fortkommen war deutlich langsamer. Als mir bewusst wurde, dass ich es nicht mehr bis Solothurn schaffen würde, fragte ich Leute, die in ihrem Garten offenbar einen Kindergeburtstag feierten, ob es in der Nähe eine Herberge gäbe. Leider wussten sie nichts im selben Ort, aber in Kestenholz habe es sowas. Das sei aber vermutlich heute geschlossen. Also fragte ich sie, ob ich wenigstens in der Nähe etwas trinken könne, wo denn der nächste Spunten sei. Das sei einfach, nur ein paar hundert Meter weiter auf der rechten Seite sei die Sonne. Diese fand ich auch tatsächlich, trank dort 5dl Wasser und fragte die Bedienung nach einer Herberge. Diese erwähnte wieder die Herberge in Kestenholz, die sicher geöffnet sei. Und tatsächlich fand ich dort den Gasthof Eintracht als sehr angenehme Herberge. Sauber, schön, gute Küche (die Spare Ribs zum Abendessen waren toll), günstiges Zimmer (80.- die Nacht im Einzelzimmer ohne Frühstück). Insgesamt legte ich an diesem Tag 84km zurück.
So weit so gut. Jetzt erinnerte ich mich daran, dass ich ja ganz in der Nähe noch Verwandtschaft habe. Meine Schwester wohnt nämlich mit ihrem Mann und ihren Kindern in Fribourg. Ich rief sie an und kündigte meinen Besuch für den nächsten Tag an. Sie war nicht schlecht erstaunt, freute sich aber sehr und meinte, das sei toll, am nächsten Tag, einem Samstag, habe ihre jüngste Tochter Geburtstag, und da könne ich gleich mitfeiern. Gegen 15 Uhr überlegte ich, wie ich den Rest des Nachmittags und den Abend verbringen möchte. Und merkte, dass ich mich doch etwas einsam fühlte — und die Aussicht, noch ein paar Stunden eher gelangweilt der Dorfjugend beim flirten zuzuschauen und danach eine einsame Nacht im Wald zu verbringen nicht so prickelnd fand. So entschied ich mich, den Weg nach Fribourg unter die Räder zu nehmen. Falls ich müde würde, könnte ich ja jederzeit anhalten und mein irgendwo mein Nachtlager aufschlagen. Der Weg nach Payerne und Corcelles nach Montagny war einigermassen leicht und rasch hinter mich gebracht. Etwas weiter hinten, in Moulin des Arbognes, kehrte ich nochmals ein für ein erfrischendes Glas Wasser und ein Glacé. Auf meine Frage, ob er wisse, wie weit es noch bis Fribourg sei, antwortete ein anderer Gast: “Noch knapp 20 Kilometer. Aber mit dem Velo sind es sehr harte Kilometer!” Diese Aussage erwies sich als äusserst real. Kurz hinter dem Restaurant begann eine Steigung von gefühlten 50% über mehrere Kilometer. Mehrmals musste ich absteigen und 10 Minuten verschnaufen. Teilweise musste ich sogar mein Fahrrad schieben. Und als die schlimmste Steigung vorbei war, ging es nicht etwa eben weiter, sondern einfach weniger steil. Immerhin senkte sich dann der Weg kurze Zeit, als es auf den Lac de Seedorf hinunterging, aber dahinter ging es wieder aufwärts bis
Am nächsten Tag zeigte sie mir noch mit ihrer jüngsten Tochter, die an diesem Tag 23 Jahre alt wurde, die Stadt Fribourg. Dabei sind wir insbesondere im wild-romantischen Vallée du Gottéron spazieren gegangen. Jetzt verstehe ich endlich, was hinter der Freiburger Eishockeymannschaft steckt.
Hier sind meine gesammelten Fotos der Reise.
Den Rückweg machte ich dann am Sonntag Nachmittag mit dem Zug. Mein Hintern war genügend beansprucht, dass ich für eine Weile genug vom Radfahren hatte.