Nach längerer Zeit der Inaktivität in diesem Bereich (siehe hier) hat sich mal wieder jemand gemeldet, der eine kleine Frage an den “Briefkastenonkel” Daniel gestellt hat. Ich veröffentliche hier gerne die Frage und meine Antwort dazu, lasse aber selbstverständlich die Fragestellerin anonym bleiben.
sare hat am 11. 3. 2009 via Kontaktformular geschrieben:
hallo. mein mann und ich sind seit 6 jahren zusammen und seit 2 jahren verheiratet. er hat für mich immer alles getan und war immer liebevoll, ich bin auch sehr liebevoll und habe viel für ihm getan nur ich bin sehr streng. letze zeit hatten wir finanzielle problem und sehr viel stress und streit mit seine familie. er ist vor 3 monaten ein abend zu spät nach hause gekommen was in die ganze 6 jahre nie vorgekommen ist und als ich terror gemacht habe hat er gesagt dass er mit mir nich mehr zusammen sein möchte und dass er ein mädchen kennengelernt hat. ich habe 2 wochen lang versucht ihn zurück zu gewinnen aber es hatte kein sinn er hat sich ständig mit ihr getroffen meine bilder von sein händy gelöscht u.s.w. nach 2 wochen bin ich von zu hause weggegangen und wollte paar tage später meine sachen abholen aber er hat den schloß gewechselt und am gleiche abend als ich weg war sie zu unsere gemeinsame wohnung gebracht und mit ihr geschlafen. ich habe mit polizei meine persönliche sachen rausgeholt und bin für 3 wochen nach ausland gefahren. er hat sich nie gemeldet und hat sich oft in verschiedene partys mit die neue gezeigt( sie hatten ein richtige beziehung, er hat soger sie seine familie vorgestellt) und als ich zurück war hat er mir gesagt dass er mich sehen möchte und dann hat er angefangen zu weinen und hat gesagt dass er alles breut un mich zurück haben möchte und ich seine traumfrau bin. wir treffen uns fast jeden tag und er hat auch sofort mit ihr schluss gemacht aber ich weiss leider nicht was ich machen soll. ich liebe ihn zwar aber ich bin eine sehr strenge frau und habe immer die meinung gehabt dass man untreue männer nie eine 2. chance geben muss. hilf mir bitte. was soll ich jetzt machen?
Und ich antwortete ihr am 13. 3. 2009:
Hallo sare
Mir scheint, ihr zwei müsste eure Beziehung neu definieren, wenn ihr wieder zusammenkommen wollt. Beim Lesen deiner Anfrage fällt mir folgendes auf:
1. Du sagst, du seist liebevoll, aber auch “sehr streng”. Das führst du zwar nicht weiter aus, aber weiter unten sagst du noch, dass du immer die Meinung gehabt hättest, dass untreue Männer keine zweite Chance verdient hätten. Nun ja, wie soll ich sagen: Ich bin ein Mann und sehe das etwas anders. Ich finde, solche absoluten Standpunkte sind nicht immer hilfreich. Es kann sich ja jemand tatsächlich ändern. Aber auch wenn nicht: Wenn uns selbst Gott unsere Fehler verzeiht, warum sollten wir nicht dasselbe tun mit unseren Mitmenschen?
2. Da hat er ja eine ziemliche Nummer abgezogen, von wegen Schloss auswechseln und dich aussperren, bis du sogar die Polizei einschalten musstest. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass du ihm deinerseits die Hölle heiss gemacht hast, so dass ihm kaum etwas anderes übrig blieb, als sich so vor dir zu schützen.
3. Gut, jetzt ist allerdings wieder Ruhe eingekehrt. Anscheinend ist die Affäre vorbei, und er besinnt sich auf seine alten Werte und erinnert sich wieder an dich und will wieder dich und nur dich. Deine Bitte an mich um Unterstützung läuft darauf hinaus, dass du von mir hören möchtest, ob du ihm das glauben sollst oder nicht. Weil: Wenn diese Frage klar beantwortet wäre, dann wäre es klar, wie du dich verhalten willst: Wenn du ihm glaubst, dann verzeihst du ihm und bleibst mit ihm zusammen. Wenn nicht, dann trennt ihr euch und lasst euch scheiden.
Aber leider kann ich dir diese Frage so nicht beantworten. Du musst für dich selber entscheiden, ob du bereit bist, ihm zu verzeihen. Ich würde das aber noch nicht sofort entscheiden, sondern erst mal darauf bestehen, dass er dir Rede und Antwort steht. Dass ihr zwei zusammen zu einem Paartherapeuten geht. Dass ihr beide euch miteinander auseinander setzt. Dass ihr euch gegenseitig erklärt, wie ihr euch eure Beziehung vorstellt und wie ihr miteinander umgehen wollt.
Ich wage zu behaupten, dass es mit euch beiden gutgehen kann. Und zwar dann, wenn ihr beide vom eigenen Standpunkt etwas loslassen und euch mehr aufeinander einlassen könnt. Du musst etwas weniger streng sein, und er muss sich darüber klar werden, dass er eine Beziehung mit dir und nur mit dir hat, und dass eine Affäre nur eine Flucht ist, die keine Probleme löst sondern nur neue schafft.
Wie gesagt, ich empfehle euch ein paar Sitzungen mit einem Paartherapeuten. Der Blick eines neutralen Menschen auf eure Situation kann sehr hilfreich und für beide Seiten fruchtbar sein.
Ich hoffe, dir mit dieser Antwort geholfen zu haben.
Liebe Grüsse
— Daniel
sare hat am 16. März noch einmal nachgefragt:
Darauf antwortete ich ihr am 22. März:
Ich sehe nach wie vor zwei Grundaspekte in eurer Beziehung, die ihr gemeinsam oder jeder für sich anschauen solltet:
1. Sein Verhalten: Ein Stück weit kann ich das nachvollziehen, was er dir da erklärt. Aber nur ein Stück weit. Und ich finde es sehr schade, dass er nicht darüber reden will, weder mit dir noch mit einem Therapeuten. Es muss ja auch nicht unbedingt ein Paartherapeut sein, wo dein Mann auch vor dir “die Hosen runterlassen” muss. Er kann ja auch ganz für sich ein paar Sitzungen bei einem Therapeuten machen und die Sache mit ihm ausmachen. Aber: Mit jemand darüber reden, das würde ich für sehr sehr sinnvoll halten. Dass er “komplett abgeschlossen hat” und “sich vor ihr ekelt” ist erst recht ein Grund, mit jemand darüberzureden. Ich kann verstehen, dass er das aber nicht vor dir ausbreiten möchte. Und so kann ich nur hoffen, dass es ihm mit jemand neutralerem leichter fallen würde. Es wäre auf jeden Fall hilfreich. Ich will jetzt da zwar nicht gross Werbung machen, aber vielleicht wäre auch der Besuch eines Männerseminars, siehe etwa http://www.maennerworkshop.de sinnvoll.
2. Dein Selbstwertgefühl: Dieses ist offenbar angeschlagen. Es fällt mir auf, dass du davon schreibst, wie wichtig es dir sei, was andere Leute über dich denken, und dass du Angst hast, vor deinen Freunden und Bekannten, oder auch nur den Nachbarn, das Gesicht zu verlieren und schlecht dazustehen. Das ist, mit Verlaub, dein Untergang. Hier musst du an dir arbeiten. Sonst bist du ewig gefangen in äusseren Zwängen und sozialen Vorsschriften. Wenn du es schaffst, dich davon zu befreien, anderer Leute Erwartungen erfüllen zu müssen, dann kannst du erst deine eigenen Vorstellungen entwickeln und in die Tat umsetzen, und dadurch zu deinem eigenen innteren Glück finden. Natürlich sind wir immer abhängig von anderen Menschen, weil der Mensch nicht fürs Alleinsein geschaffen, sondern ein soziales Wesen ist. Aber deshalb müssen wir noch lange nicht bei jeden unserer Schritte ängstlich darauf bedacht sein, ja keine Fehler zu machen und darauf zu achten, dass andere Leute nur gut über uns denken.
Ich selber habe auch Fehler gemacht und bin froh, dass mir meine Frau verziehen hat. Wir waren etwa ein Jahr lang getrennt, weil ich keine Zukunft mehr mit ihr sah. Du siehst, sowohl meine Frau als auch ich hatten beide unsere Schwierigkeiten miteinander. Sie hatte Geduld mit mir, konnte auf mich warten. Ich habe mich ganz klar erneut für sie entschieden. Heute sind wir wieder (seit mehreren Jahren) zusammen und sind beide glücklich dabei, lieben uns, wollen die Zukunft miteinander verbringen. Das hat viele Stunden gemeinsamer Gespräche erfordert. Wo wir in schonungsloser Offenheit unsere Wünsche und Vorstellungen offenbaren mussten. Und wir haben auch therapeutische Hilfe in Anspruch genommen.
Mit lieben Grüssen
— Daniel M. Heiniger